

036
36
Geschichten aus dem Stadtarchiv:
Die Teufelskanzel
hren Namen erhielt die Felsnadel am Eingang des Kaisertals
von Luzifer selbst. In alten Zeiten – wann genau kann niemand
mehr sagen – predigte der Teufel vor dem Felsen. Aber ein
Großteil der Zuhörer, Bauern aus der Region, wollten ihre unsterbli-
chen Seelen nicht verkaufen: Zu unglaubwürdig war die versproche-
ne ewige Glückseligkeit, zu radikal die Kritik an der Kirche.
Mit dem Rücken an der Wand kam dem Teufel die zündende Idee:
Er zog eine mächtige Axt hervor und schrie laut aus: „So wahr ich
diese Kanzel mit drei Hieben umhaue, so wahrhaftig sind meine
Worte.“ Unter der Wucht der Schläge flogen Felsstücke durch die
Gegend, aber die Kanzel selbst rührte sich keinen Millimeter. Nach
dem zweiten Schlag erkannte der Teufel die Aussichtslosigkeit sei-
ner Lage und fuhr unter unglaublichem Getöse wieder in sein fins-
teres Reich hinab. Die Teufelshiebe hinterließen mehrere noch
immer sichtbare Einschnitte in der Felsnadel. Die Hügel am Fuß der
Kanzel sind die Überreste derjenigen, die bereit waren dem Belze-
bub die Treue zu schwören und aus Strafe dafür im Boden versenkt
wurden.
In den 1880ern entdeckte man die Teufelskanzel als Touristenziel.
Angepriesen wurde der atemberaubende Ausblick über die Untere
Schranne bis hinaus ins bayrische Flachland. Um auch den unge-
übteren Alpinisten den Aufstieg zur Spitze der Kanzel zu ermögli-
chen, wurde zuerst ein Stahlseil, in weiterer Folge eine Treppe aus
Holz an den Felsen gehängt. Für knapp zwanzig Jahre war die Teu-
felskanzel auf beinahe jedem Tourismusprospekt der Fremden-
verkehrsregion Kufstein zu sehen. In den ersten Jahrzehnten des
20. Jahrhunderts verschwand das Interesse an der Felsnadel, die
Steighilfen verfielen oder wurden demontiert.
I
Bild oben:
Die Älteste, 1887 enstandene, Aufnahme der
Teufelskanzel.
Bild unten:
Fremdenverkehrsbroschüre für Kufstein und
Umgebung aus der Zeit um 1900.
(Fotos: Stadtarchiv Kufstein)