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Geschichten aus dem Stadtarchiv:

Die Teufelskanzel

hren Namen erhielt die Felsnadel am Eingang des Kaisertals

von Luzifer selbst. In alten Zeiten – wann genau kann niemand

mehr sagen – predigte der Teufel vor dem Felsen. Aber ein

Großteil der Zuhörer, Bauern aus der Region, wollten ihre unsterbli-

chen Seelen nicht verkaufen: Zu unglaubwürdig war die versproche-

ne ewige Glückseligkeit, zu radikal die Kritik an der Kirche.

Mit dem Rücken an der Wand kam dem Teufel die zündende Idee:

Er zog eine mächtige Axt hervor und schrie laut aus: „So wahr ich

diese Kanzel mit drei Hieben umhaue, so wahrhaftig sind meine

Worte.“ Unter der Wucht der Schläge flogen Felsstücke durch die

Gegend, aber die Kanzel selbst rührte sich keinen Millimeter. Nach

dem zweiten Schlag erkannte der Teufel die Aussichtslosigkeit sei-

ner Lage und fuhr unter unglaublichem Getöse wieder in sein fins-

teres Reich hinab. Die Teufelshiebe hinterließen mehrere noch

immer sichtbare Einschnitte in der Felsnadel. Die Hügel am Fuß der

Kanzel sind die Überreste derjenigen, die bereit waren dem Belze-

bub die Treue zu schwören und aus Strafe dafür im Boden versenkt

wurden.

In den 1880ern entdeckte man die Teufelskanzel als Touristenziel.

Angepriesen wurde der atemberaubende Ausblick über die Untere

Schranne bis hinaus ins bayrische Flachland. Um auch den unge-

übteren Alpinisten den Aufstieg zur Spitze der Kanzel zu ermögli-

chen, wurde zuerst ein Stahlseil, in weiterer Folge eine Treppe aus

Holz an den Felsen gehängt. Für knapp zwanzig Jahre war die Teu-

felskanzel auf beinahe jedem Tourismusprospekt der Fremden-

verkehrsregion Kufstein zu sehen. In den ersten Jahrzehnten des

20. Jahrhunderts verschwand das Interesse an der Felsnadel, die

Steighilfen verfielen oder wurden demontiert.

I

Bild oben:

Die Älteste, 1887 enstandene, Aufnahme der

Teufelskanzel.

Bild unten:

Fremdenverkehrsbroschüre für Kufstein und

Umgebung aus der Zeit um 1900.

(Fotos: Stadtarchiv Kufstein)